Das „Sommer-Märchen“ wurde wahr
Landesliga: SG Michendorf – Fortuna Babelsberg 0:1 (0:0)
Mitte der 2010-er Jahre hatten die, jeweils zum Saisonende anstehenden „Aufstiegsendspiele“ zur Landesliga, die Fortuna mehrfach „in den Sand gesetzt“ hatte (1:4 gegen Bornim usw.) durchaus für Spannung und Zuschauerinteresse gesorgt. Trotzdem war der letzte Spieltag dieser Saison noch einmal eine Nummer größer. So viel Aufregung gab es in der Woche vor einem Spiel lange nicht im Lager der Fortuna. Vor 24 Jahren (1999) hatte sich die Tür der Verbandsliga (heute Brandenburgliga) für Fortuna geschlossen, nun stand sie wieder offen, die Mannschaft von David Sommer musste „nur noch“ mit einem Sieg durchgehen. Und so lockte das Spiel bei Kaisergeburtstagswetter gut 600 Zuschauer an, zwei Drittel davon Fans der Fortuna, die, wie die Mannschaft, ganz in Schwarz gekleidet, das Team lautstark unterstützen wollten.
Ein halbes Jahr war es an diesem Sonnabend, den 24.06.2023 zwar noch bis Weihnachten, doch die Mannschaft wollte für sich und die Fans eine vorzeitige Bescherung. Doch das war leichter gesagt als getan, denn die SG Michendorf hatte nicht die Absicht dieses Spiel herzuschenken.
Die Taktik beider Teams war nach kurzer Zeit offensichtlich. Die Hausherren agierten aus einem stabilen Deckungsverbund mit schnellem Umkehrspiel, Fortuna versuchte offensiven Druck mit Ball- und Spielkontrolle aufzubauen, ohne die Abwehr aber zu vernachlässigen. Ein Torchancenfeuerwerk war also nicht zu erwarten.
Das erste kleine „Stöhnen“ unter den Fans entlud sich nach sieben Minuten, als Tim Dethloff einen Freistoß von der linken Strafraumkante auf die lange Ecke zirkelte, doch der Ball landete auf, statt im Tornetz.
In der 17.Minute gelangt eine flache Eingabe von Marcus Goede zu Dennis Weber, der den Ball zu Tim Dethloff durchsteckte, doch dessen Schuss sah Michendorfs Keeper Niclas Müller auf dem Posten. Nur zwei Minuten später fischte er auch einen Schuss von Timo Schönig aus dem kurzen Eck.
In der 23.Minute dann ein technisches Schmankerl von Armand Ligouis, der acht Meter vor dem Tor „im Rücken“ angespielt wurde, den Ball aber noch mit der Hacke aufs Tor lupfte, doch genau in die Arme von Torhüter Müller.
Bis zur Halbzeit dann einige weitere Fortuna Möglichkeiten, aber entweder verfehlten die Abschlüsse das Tor oder es war zu wenig Druck hinter dem Ball, um wirklich gefährlich für den sicheren Keeper Müller zu sein. Von den Gastgebern war in Hälfte eins viel Gegenwehr, aber nur einige wenige Fernschüsse zu verzeichnen, die aber keine Gefahr ausstrahlten. Im Fernduell mit Stahl Brandenburg stand es dort ebenfalls zum Pausentee 0:0. In der Tabelle war Fortuna also nach wie vor mit einem Punkt vorn, es war aber eine Gratwanderung.
Die zweite Halbzeit brachte dann in Michendorf (ebenso in Brieselang) von Minute zu Minute mehr Offensivaktionen. Tore schienen eine Frage der Zeit. So traf Timo Schöning wenige Minuten nach Wiederanpfiff eine Flanke volley nicht richtig, der Ball landete in den Armen von Keeper Müller und ein Flugkopfball von Marcus Goede ging nach 55 Minuten am langen Pfosten vorbei.
Nach rund einer Stunde Spielzeit stellte Fortuna das Spielsystem offensiver um, was aber auch die Michendorfer Offensive besser zur Geltung brachte und so gab es nun auch einige Torszenen vor dem Gästegehäuse. Einzelne Eckbälle und Freistöße waren eine erste Annäherung. In der 65. Minute musste Keeper Erik Firchau sein Können beweisen, um einen Volleyschuss von John Herrmsdorf aus dem bedrohten Eck zu fischen.
Aber auch Schiedsrichter Niklas Wiese begann nun in seiner Brusttasche nach den gelben Karten „zu fischen“. Das Spiel wurde auch zu einem Kampfspiel. Am Ende würden es 13 x Gelb, 1 x Gelb/Rot und 2 x Rot (Michendorf) sein. Trotzdem war die Partie nicht ruppig oder bösartig, ein Teil der Karten war auch taktischen Fouls, Meckereien usw. geschuldet. Die Nervosität war regelrecht greifbar.
In der 72.Minute stockte allen Fortuna Anhängern der Herzschlag. Aus einem unnötigen Ballverlust im Vorwärtsgang schlugen die Gastgeber gekonnt Kapital. Ein Überzahlkonter in die entblößte Abwehr brachte die scheinbare Führung. Selten haben so viele Fans und Spieler aufgeatmet, als sie die Abseitsfahne des Assistenten sahen.
Kurz danach war es Armand Ligouis, der ein brenzlige Szene im letzten Moment kurz vor der Torlinie klären konnte. Das war knapp Fortuna. Als dann noch die Kunde vom Brandenburger 1:0 die Runde machte, war das wohl der endgültige Weckruf zum „Alles oder Nichts“, denn nun wurde wieder konsequenter und vor allem den Abschluss suchend nach vorn gespielt.
Oldie Andreas Plaue machte den Anfang, doch seinen Volleyschuss aus 12 m konnte Keeper Niclas Müller mit den Fingerspitzen noch an die Latte lenken. Nur drei Minuten später (81.) knallte der Ball, nach einem Volleyschuss von Timo Schöning, erneut an die Latte.
In der 86.Minute „knallte“ es erneut im Strafraum. Zwei Fortuna Spieler gingen zu Boden, aber statt des von den Zuschauern erwarteten Elfmeters gab es Freistoß für Michendorf und die Sekunden tickten auf der großen, den Fortuna Zuschauern gegenüber liegenden Anzeigetafel dahin.
Fortuna warf nun alles nach vorn und für Michendorf waren damit Tür und Tor geöffnet. Als die erste Minute der Nachspielzeit angezeigt wurde, stürmten plötzlich drei Michendorfer im Umkehrspiel auf Sascha Guthke zu, der mit Marcus Goede nur zu zweit absicherte. Doch Guthke bewies einmal mehr seine Routine und machte genau dann „das Loch“ zu, als der Ball abgespielt wurde. Sofort brachte er das Spielgerät mit einem langen Schlag wieder halblinks an den Sechzehner, doch die Abwehr beförderte das Spielgerät postwendend ins Mittelfeld zurück. Aber genau vor die Füße von Enis Wendland, der sofort Christopher Wittke mittig am Strafraum bediente. Fortunas spielender Vereinspräsi leitete den Ball gekonnt zum halbrechts anstürmenden Armand Ligouis weiter. Aber statt der erwarteten Eingabe hielt er einfach voll drauf und obwohl sich Keeper Müller lang machte, schlug der Ball neben dem Pfosten zum 0:1 ein. Fortuna hatte seinem Ruf von Last Minute Treffern und Siegen ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Der Jubel auf dem Feld und unter den Fortuna Anhänger kannte nun kaum Grenzen. Schieri Niklas Wiese musste in den restlichen Minuten der Nachspielzeit neben den gelben Karten in der Brusttasche auch zu den roten in der Gesäßtasche greifen.
In der verbleibenden Nachspielzeit warf Michendorf noch einmal alles nach vorn, inklusive Keeper Müller, doch der Ausgleich gelang nicht mehr. Ganz im Gegenteil, ein weit geschlagener Fortuna Ball landete im verwaisten Gastgebertor zum dritten Alu-Treffer des Tages nur am Pfosten.
Nach dem Abpfiff entlud sich die Anspannung bei Spielern und Fans in unbändigem Jubel auf und neben dem Feld. Fortuna hatte den nicht vordergründig als Saisonziel ausgegebenen Aufstieg in die Brandenburgliga tatsächlich geschafft. Das „Sommermärchen“ ging für den scheidenden Trainer David Sommer, sowie einigen „älteren“ Spielern, die sich nun allesamt mehr der Familie widmen wollen, mit einem absolut tollen sportlichen Höhepunkt zu Ende, mit dem man gern in den sportlichen „Ruhestand“ tritt.
Meisterschaft und Aufstieg sind für jedes Team, für jeden Spieler und Anhänger ein Highlight, aber wenn es so knapp und in letzter Minute zugeht, dann ist das noch einmal eine ganz andere emotionale Erfahrung. Wenn auch ein paar Nummern kleiner, erinnerte dies an die eine oder andere Meisterschaft im deutschen Fußballoberhaus. Deshalb gehören zur Wahrheit der Geschichte unbedingt auch zwei Protagonisten, die ganz wesentlich zu der Dramatik im Aufstiegskampf, wie nun erlebt, beigetragen haben.
Einer der zwei Protagonisten ist der FSV Babelsberg 74, der dieses Fernduell mit dem Unentschieden am vergangenen Sonnabend in Brandenburg mit dem Führungswechsel noch einmal spannend gemacht hat und so diesen hochdramatischen letzten Spieltag ermöglichte.
Vor allem aber ist es Stahl Brandenburg. Das Team hätte es mit seinen Leistungen und dem zahlreichen Anhang ebenfalls verdient gehabt aufzusteigen und wäre eine Bereicherung der Brandenburgliga gewesen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Aber auch die SG Michendorf muss hier mit erwähnt werden, die einen Fight auf Biegen und Brechen lieferte und ebenso ihren Anteil an diesem hochemotionalen Herzschlagfinale hatte.
Fortuna Babelsberg möchte sich deshalb besonders bei diesen drei Teams und ihren Fans bedanken, dass es dieses Fußballwochenende gab, das vielen Spielern und Anhängern noch sehr lange im Gedächtnis bleiben wird. Wir wünschen unseren Aufstiegshelden, aber auch den drei genannten Vereinen eine erfolgreiche Saison 2023/2024.